Ein fotografisches Spiel
Aktuell zeigt das Deutsche Technikmuseum die Ausstellung „Die lebende Stadt. Ein fotografisches Spiel der Begegnungen“ des Fotografierenden-Kollektivs „Cadavre Exquis“. Mit dieser Schau, die bis 27. Januar 2026 zu sehen sein wird, startet das Museum seinen Themenschwerpunkt „Stadt der Zukunft“.

Fotografisches Stille-Post-Spiel
Mit 70 Fotografien nimmt das Berliner Kollektiv „Cadavre Exquis“ die Besuchenden mit auf eine fotografische Forschungsreise. Die Bilder sind Teil eines zusammenhängenden Gesamtkunstwerks, das innerhalb eines halben Jahres entstanden ist: Zu sehen sind eine große Collage und zwei fotografische Assoziationsketten. In der Ausstellung können die Besuchenden diese ästhetischen Assoziationsketten nachverfolgen, selbst ergänzen und so ihren eigenen Stadtbegriff spielerisch neu entdecken.


Versorgen. Was für ein Wort steckt in Versorgen (und Entsorgen)? Ein kleines Wunder in Komplementärfarben. Foto: Florian Reimann
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Entsorgen. „Ich habe so viel Schönes gesehen. Sonne und Wolken. Das Meer und die Berge. Die Stadt und die Menschen. Nun ist es Zeit zu gehen.“ Foto: Ulrike Laube
Ausgangspunkt war ein Startfoto von Sascha Jakubenko, der künstlerischen Leitung des Projekts. Es ist das Eingangsbild der Ausstellung. Dieses Bild wurde, wie beim Stille-Post-Spiel, an eine zweite Fotografin als Impuls weitergegeben. Sie antwortete darauf mit einem eigenen Foto. Das zweite Bild ging dann an eine dritte Person, die wiederum mit einem neuen Foto reagierte – und so weiter. Alle 19 beteiligten Fotografierenden bekamen dabei immer nur das jeweils vorhergehende Bild zu sehen. Erst mit der Ausstellungseröffnung wurde das Gesamtwerk sichtbar. Darunter finden sich persönliche Eindrücke ebenso wie inszenierte kleine Geschichten. Alle Bilder zusammen repräsentieren Stadt als lebendiges Beziehungsgeflecht von Menschen, Orten und Geschichten.


Kommunizieren. Der Götterbote Hermes hat stets viel zu tun. Hin und wieder gönnt er seinen Flügelschuhen eine Pause und nimmt einen Privatjet von Olymp-Air. Foto: Andreas Tobias
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Kommunizieren. Kommunizieren ist für uns mehr als lebenswichtiger Informationsaustausch. Mit dem Handy wurde es immer und überall möglich – macht das Leben bunter. Foto: Schirin Moaiyeri
Gesamtkunstwerk mit offenem Ende
Der Ausstellungsraum ist wie ein großes Spielbrett aufgebaut. Die beiden Bilderketten bilden Linien durch den Raum, denen man wie einer U‑Bahnlinie durch die Stadt folgt. Die Besuchenden können die Verbindung zwischen den Fotografien selbst suchen. Ist es eine Farbe oder Form, die sich im nächsten Bild wiederfindet? Oder besteht eher eine inhaltliche Beziehung, gar ein Wortspiel? Zudem wirft das Zusammenspiel der Bilder Fragen zur Stadt auf: Was ist die Stadt für uns, was ist sie für einen persönlich? Dabei helfen Begriffe, die für das städtische Zusammenleben prägend sind: „Leben“ und „Wohnen“, „Versorgen“ und „Entsorgen“, „Begegnen“ und „Kommunizieren“ sowie „Imponieren“ und „Repräsentieren“. Das Ende beider Linien ist bewusst offengelassen. Acht leere Rahmen laden die Ausstellungsgäste dazu ein, das Spiel weiter zu spielen. Über Instagram oder per E‑Mail können sie mit einem Foto auf das jeweils letzte Bild der Reihen antworten. Das Museum und „Cadavre Exquis“ suchen die besten Bilder aus und zeigen daraus jeden Monat ein neues Foto in der Ausstellung.


Repräsentieren. Wie viel hält ein Haus aus? Wann fällt es zusammen? Scheint es vielleicht größer, als es wirklich ist? Foto: Sven Serkis
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Begegnen. Viele Häuser in der Stadt sind groß und gebärden sich prächtig. Im Inneren herrscht aber monotone Geschäftigkeit. Foto: Martin Dziuba
Cadavre Exquis Das Ende der Ausstellung nimmt ein großes Stadtporträt ein. Diese Foto-Collage ist ebenfalls in einem Spiel entstanden: Die Fotografierenden bekamen jeweils nur einen Ausschnitt der angrenzenden Bilder zu sehen und mussten dann überlegen: Welche Form oder Farbe passt dazu? Welches Motiv ist eine gute Ergänzung? In der Kunst kennt man die Methode als „Cadavre Exquis“. Erfunden hat sie eine surrealistische Künstler*innengruppe um den Franzosen André Breton in den 1920er Jahren. Das Kollektiv „Cadavre Exquis“ hat diese Methode auf die Fotografie übertragen. Seit mehreren Jahren entstehen so unvorhersehbare und kreative Bildreihen und Collagen. Mit der Ausstellung „Die lebende Stadt“ gastiert das Kollektiv erstmals im Deutschen Technikmuseum. Mit dabei sind sowohl das Kernteam des Kollektivs als auch Gastfotografierende.


Begegnen. U‑Bahnhöfe sind für viele Orte von Eile und flüchtiger Begegnung. Doch dieser Moment wirkt wie seltsam aus der Zeit gelöst. Foto: Monika Kozub
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Begegnen. Was können wir tun, wenn wir die Rollen, welche die Stadtgesellschaft uns zuschreibt, als nicht passend empfinden? Foto: Sascha Jakubenko
Teilnehmende Fotograf*innen:
Cherie Birkner, Nora Blum, Martin Dziuba, Juliane Eirich, Sascha Jakubenko, Monika Kozub, Ulrike Lauber, Schirin Moaiyeri, Jamie Niederer, Florian Reimann, Jonas Ruhs, Mujtaba Saeed, Sven Serkis, Tim Sonntag, Andreas Tobias, Lena Ures, Silke Weinsheimer, Stefan Wieland, Felix Zohlen