Leichtigkeit als Fortschrittsversprechen
Im Sommersemester 2023 fand an der Technischen Universität Berlin ein Projektseminar in Kooperation mit dem Deutschen Technikmuseum zur Geschichte der„Technisierung des Haushalts“ statt. Das Seminar hatte es zum Ziel, Studierende des Masterstudiengangs „Theorie und Geschichte der Wissenschaft und Technik“ in die Grundlagen des Kuratierens einzuführen. Aus der Veranstaltung ging die Ausstellung „Ausgebügelt? Leichtigkeit als Fortschrittsversprechen“ hervor, die von November 2023 bis Ende März 2024 an der TU Berlin zu sehen war

Die Geschichte des Bügelns in Deutschland kann beispielhaft zeigen, dass technischer Wandel nicht hinreichend mit einer Fortschrittserzählung beschrieben werden kann. Beim Bügeln ist ein solches Versprechen die Leichtigkeit. Als ein zentraler Topos prägte sie die Werbung für elektrische Bügeleisen im Laufe des 20. Jahrhundert.
Gebügelt wurde bereits lange, bevor die ersten elektrischen Bügeleisen in die Haushalte kamen. Im 19. Jahrhundert waren in Deutschland verschiedene Bügeleisen im Einsatz. Sie wurden auf Öfen aufgeheizt oder mit Kohle, Spiritus oder Gas im Inneren betrieben. Intern beheizte Bügeleisen hatten den Vorteil, dass das Bügeln nicht für die Aufwärmphasen unterbrochen werden musste. Hausfrauen berichteten allerdings, dass ihr Qualm zu Kopfschmerzen und Schwindel führe. Asche und Kohlenstaub verschmutzen die Wäsche. Die so genannten „Drachen“ wurden später, zu Beginn des 20. Jahrhunderts, von den Akteuren der Elektrifizierung des Haushalts zum Inbegriff der Rückständigkeit gemacht.
Das erste elektrische Bügeleisen aus Deutschland wurde 1892 von der Telegraphen-Anstalt Pöge in Chemnitz hergestellt. Die Elektrifizierung der Haushalte setzte zu Beginn des 20. Jahrhunderts erst langsam ein. In Berlin waren 1910 erst 3,5 Prozent der Haushalte elektrifiziert; 1925 verfügten 25 Prozent und 1933 dann 70 Prozent der Haushalte über einen Anschluss an das Stromnetz (König 2013: S. 1191). Strom diente, wie auch Gas, im Haushalt zunächst zur Beleuchtung.

Im Kontext der Rationalisierung der Haushaltsarbeit sollte die neue Energieinfrastruktur für mehr als nur Licht genutzt werden. Das war zunächst nur für wohlhabende Haushalte erschwinglich. Elektrische Haushaltsgeräte waren Statussymbole und standen für Fortschritt und Modernität. Gleichzeitig war es im Sinne der Energieunternehmen, den häuslichen Stromverbrauch zu fördern. Firmen wie die „Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft“ (AEG) bewarben elektrische Haushaltsgeräte und senkten private Strompreise. In der Zwischenkriegszeit setzte sich das Bügeleisen als erstes elektrisches Haushaltsgerät massenhaft durch. So hatten 1928 in Berlin 56 Prozent der Haushalte mit Stromanschluss auch ein elektrisches Bügeleisen. An zweiter Stelle kam der Staubsauger mit 27,5 Prozent, Waschmaschine und Kühlschrank lagen bei unter 1 Prozent (Heßler 2001: S. 612).
Die Hausfrauen mussten jedoch erst von den Vorzügen der elektrischen Eisen überzeugt werden. Den anfänglichen Vorbehalten setzten die Unternehmen wirtschaftliche und technische Anreize entgegen, etwa ständig günstigere Gerätepreise, billigen Bügelstrom und Überhitzungsschutzvorrichtungen. In groß angelegten Werbekampagnen versprachen sie außerdem Entlastung durch die Erleichterung der Hausarbeit. Tatsächlich wurde das Bügeln selbst leichter. Die elektrischen Bügeleisen wogen nur einen Bruchteil der „Drachen“. Sie waren leichter zu bedienen und wurden, auch durch Dampf, effizienter.
Trotzdem waren die Versprechen von leichterer Hausarbeit nicht haltbar. Insgesamt verringerte sich die Arbeit nicht. Die Technisierung des Haushalts implizierte im Gegenteil ein vergeschlechtlichtes Mehr an Arbeit. Durch neue Ansprüche an Hygiene und Sauberkeit und die Einführung von Waschmaschinen und neuen Waschmitteln erhöhte sich zur gleichen Zeit das Wäscheaufkommen signifikant. Die gesellschaftliche Erwartungshaltung an die Waschrhythmen stieg. Mit der Verbreitung und Bewerbung von so genannten bügelfreien Stoffen ab den 1950er Jahren erleichterte oder verringerte sich die Hausarbeit ebenfalls nur bedingt.


Man könne diese Stoffe, so zeitgenössische Werbung, sogar täglich waschen und über Nacht trocknen. Neben der unmittelbaren Verlagerung der Arbeit vom Bügeln aufs Waschen brachten die neuen Textile in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine mittelbare Verschiebung der Arbeit vom Glätten während des Nutzungsprozesses zum Glätten bei der Produktion mit sich.
Bügelfreie Hemden aus nicht-synthetischen Materialien werden in einer flüssigen Chemikalie getränkt, was eine hohe gesundheitliche Belastung für die produzierenden Arbeiter*innen darstellt. Die Herstellung der synthetischen Fasern und die Behandlung hat nicht zuletzt Auswirkungen auf die Umwelt. So verbleiben nur schwer biologisch abbaubare chemische Überreste lange im Grundwasser. Zudem wird geschätzt, dass beim Einsatz von formaldehydbasierten Harzen circa eine Tonne Formaldehyd pro Jahr durch eine einzige Fabrikanlage in die Luft ausgestoßen wird (Muthu 2015: S. 3133).
Wenngleich Bügeln heute Umfragen zufolge zu den unbeliebtesten Hausarbeiten gehört, bleibt offen, ob es sich jemals wirklich ausgebügelt haben wird. Kleiderordnungen und Konventionen wandeln sich und wechselwirken mit technischen Entwicklungen und vergeschlechtlichten Arbeitsordnungen. Die technikhistorische Betrachtung des Bügeleisens illustriert diese Abhängigkeiten und zeigt, warum eine rein technische Fortschrittserzählung im Sinne der Leichtigkeit zu kurz greift.
- König, W. (2013): Kleine Geschichte der Konsumgesellschaft: Konsum als Lebensform der Moderne. Franz Steiner Verlag. ↩︎
- Heßler, M. (2001): „Mrs. Modern Woman“: zur Sozial- und Kulturgeschichte der Haushaltstechnisierung. Campus. ↩︎
- Muthu, S.S. (Hrsg.) (2015): Handbook of Sustainable Apparel Production. Taylor & Francis. ↩︎