Reparatur und Restaurierung des ersten Computers
Rasselnd beginnt das metallische Ungetüm zu arbeiten. Von zwei massiven Handkurbeln angetrieben, wird die Drehbewegung durch ein ausgeklügeltes System miteinander verbundener Metallstangen in die Tiefe der Maschine übertragen. Bleche werden verschoben, Impulse mechanisch weitergegeben, kleine Metallstifte von einer Seite zur anderen bewegt. Die etwa 20.000 Einzelteile klappern ständig und quietschen manchmal. So klingt das Rechnen im Heavy Metal-Sound des ersten Computers.

Konrad Zuses „Versuchsmodell 1“, das er von 1936 bis 1938 in Berlin baute, markiert den Beginn des Computerzeitalters. Computerbits waren hier bewegliche Metallstifte in binären Schaltungen, die je nach Position für den Wert Null oder Eins standen. Trotz der komplett mechanischen Ausführung entspricht Zuses erstes Versuchsmodell, das später Z1 genannt wurde, im Wesentlichen einem modernen Computer mit Programmsteuerung, Prozessor und Speicher. Da das Original im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde, fertigte Konrad Zuse in den 1980er Jahren einen Nachbau an.

Zuses Nachbau der Z1 ist eines der Highlight-Objekte des Deutschen Technikmuseums. Um 1990 wurde dieser Nachbau in Funktion vorgeführt, aber die komplexe Mechanik verhakte sich beim Rechnen genauso wie einst beim Originalgerät. Nach Konrad Zuses Tod 1995 konnte der Nachbau der Z1 nicht mehr gewartet und genutzt werden. Das Forschungsinteresse an diesem Meilenstein der Computergeschichte war jedoch weiterhin sehr groß. Trotz des über ein Vierteljahrhundert dauernden Stillstands der Maschine wurden wesentliche Fortschritte bei der Erforschung der Funktionsweise gemacht. Insbesondere der Informatik-Professor Raúl Rojas konnte auf der Basis von Zuses Patentschriften, Archivdokumenten und Konstruktionszeichnungen sowie vor dem Hintergrund einer vergleichenden Analyse mit Zuses elektromechanischem Computer Z3 die Datenflussarchitektur des Prozessors der Z1 analysieren. Eine Analyse auf „Bit-Ebene“ war allerdings aufgrund von Zuses grober und lückenhafter Dokumentation bisher nicht möglich. Bestimmte Bleche, die für die Logik der Maschine unwichtig, aber trotzdem massenhaft verbaut sind, werden etwa in der Dokumentation gar nicht aufgeführt. Zudem entsprechen Zuses Aufzeichnungen häufig nicht dem letzten Stand des Gerätes: Im laufenden Prozess der Fertigstellung des Z1-Nachbaus hatte Zuse immer wieder Änderungen in der Ausführung vorgenommen. So lässt sich nur an der Maschine selbst herausfinden, welche Stangen, Bleche und Stifte je nach Rechenoperation nacheinander in Bewegung gesetzt werden und wie die Einzelteile Takt für Takt zusammenspielen.


Sicht von oben auf eine der beiden Antriebskurbeln und einen Ausschnitt von Rechenwerk und Planwerk.
SDTB/ Foto: Clemens Kirchner
rechts:
Seitenansicht eines Teils des Z1-Nachbaus. Zu erkennen sind unter anderem die zahlreichen metallischen Einzelteile und Schichten des Rechenwerks.
SDTB/ Foto: Clemens Kirchner
Um die Z1 eingehend zu erforschen, muss man sie allerdings auseinanderbauen – und zum Funktionieren bringen. Solche Strategien findet man ansonsten eher im Bereich des Retro-Computings, einer insbesondere auf die Homecomputer der 1980er Jahre fokussierten Bastlerszene. Dieser Ansatz von „trial and error“ ist das genaue Gegenteil der klassischen musealen Konservierung. Im laufenden Dokumentations- und Restaurierungsprojekt zur Z1 überwog aber letztlich unsere Neugierde und der Wunsch, experimentelle Methoden und Restaurierungsansätze produktiv zu verbinden. So schließen wir seit 2022 jährlich für zwei Wochen die Informatikausstellung des Deutschen Technikmuseums für Besuchende, heben mit viel Manpower die massive Vitrinenhaube der Z1 ab und versuchen herauszufinden, wo es hakt und wie wir die Maschine vielleicht doch wieder zum Laufen bringen können.

Das erste Drehen der Antriebskurbel war dabei ein spannender Moment, auf den wir lange hingearbeitet hatten. Dem voraus ging das detailgenaue Studium der Patente und Archivalien von Konrad Zuse – unter anderem die Auswertung eines bisher unerschlossenen Bestandes zum Z1-Nachbau im Historischen Archiv des Deutschen Technikmuseums. Eine lückenlose Fotodokumentation des Ist-Zustandes der Maschine zusammen mit einer Untersuchung der bestehenden Problemstellen, gestauchten Bleche und Verklemmungen war die notwendige Grundlage für das schrittweise Auseinanderbauen und Wieder-Zusammensetzen der Maschine. Für die praktische Inbetriebnahme war der temporäre Ausbau des Lochstreifenlesers elementar. So muss nicht für jeden Test ein neuer Lochstreifen gestanzt werden, sondern der Computer kann im sogenannten “single step mode” von Hand eingegebene einzelne Befehle ausführen. Nach vier Arbeitsphasen haben wir nun die Speicherblöcke, die Speichersteuerung und das sogenannte Wählwerk auseinander- und wieder zusammengebaut und die Einzelteile fotografiert und dokumentiert. Defekte oder fehlende Schaltbleche wurden per Drahterosion präzise nachgefertigt und eingebaut. Wir können Zellen und Ebenen in einzelnen Speicherblöcken gezielt adressieren und Binärzahlen speichern und auslesen. Das ist einerseits ein großer Erfolg, andererseits liegen noch etwa 80 Prozent der Maschine mit dem wesentlich komplexeren Prozessor unerschlossen vor uns.

Vor dem Hintergrund der Sparzwänge, die die Berliner Museen betreffen, kann so ein langfristiges Projekt nur schwer fortgeführt werden. Die vielfach geäußerten Erwartungen, den Ursprung der Informatik in Deutschland eingehend zu analysieren und für alle zugänglich zu machen, erfordern gleichzeitig eine Ausweitung der Projektinfrastruktur. Das Einwerben von Fördermitteln – insbesondere für eine teilautomatisierte Dokumentation und das Erstellen eines digitalen Zwillings ist daher die nächste große Aufgabe für uns. Das große öffentliche Interesse bestärkt uns in diesem Vorhaben. Ein Video zur Z1-Restaurierung auf dem YouTube-Kanal des Museums wurde innerhalb eines Monats mehr als 100.000-mal angeschaut (s.o.). Die mühsame Arbeit lohnt sich also nicht nur wissenschaftshistorisch, sondern wird auch vom Publikum begeistert verfolgt.
Dieser Artikel ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 7–8/2025.