Blau, rot, gelb

Neu­zu­gän­ge in der Dau­er­aus­stel­lung Papiertechnik

Im Früh­jahr 2025 erneu­ern wir drei Teil­be­rei­che einer Vitri­ne in der Dau­er­aus­stel­lung Papier­tech­nik. Inhalt­li­cher Schwer­punkt der Über­ar­bei­tung ist das The­ma „Papier und Nach­hal­tig­keit“. Dau­er­haft zu sehen sein wer­den auch zwei ori­gi­na­le Bunt­pa­pier­mus­ter und ‑bücher der Ham­bur­ger Künst­le­rin und Bunt­pa­pier­ex­per­tin Gise­la Resch­ke, zugleich Neu­zu­gän­ge in His­to­ri­schen Archiv und Biblio­thek. Die von ihr aus­ge­üb­ten Bunt­pa­pier­tech­ni­ken sieht sie als Erwei­te­rung alter Tech­ni­ken mit ande­ren Materialien.

Buchcover von ‚Victor Hugo: Der Rhein‘, Insel-Bücherei Nr. 1328, mit abstraktem Design in Blau- und Schwarztönen und einem cremefarbenen Label mit roter und goldener Umrandung.
Vic­tor Hugo, Der Rhein, IB 1328, Insel-Ver­lag, 2/25/0002. Foto: SDTB/ Biblio­thek (N. Altenburg)

Drei gestal­te­te Bucheinbände

Die Aus­wahl eines Buch­ein­band­mo­tivs steht in enger Ver­bin­dung zu Buch­in­hal­ten, Autor oder Autorin und zu tech­ni­schen Vor­ga­ben. Die Ver­wen­dung ori­gi­nal her­ge­stell­ter Bunt­pa­pie­re für Buch­ein­bän­de ist heu­te sel­ten. Die bei­den Kleis­ter­pa­pie­re in Misch­tech­nik, die Resch­ke zwi­schen 2007 und 2020 gestal­tet hat, erin­nern an die Nut­zung von Bunt­pa­pie­ren in Zusam­men­hang mit Büchern über vie­le Jahr­hun­der­te. Der Ent­wurf für „Der Rhein” (Kleis­ter­pa­pier) wur­de als Druck­vor­la­ge ver­wen­det. Bei „Im alten Land” han­delt es sich um eine Samm­ler-Edi­ti­on (Hand­ein­band mit Ori­gi­nal Kleisterpapier).

Für die Ver­wen­dung hand­werk­lich her­ge­stell­ter Bunt­pa­pie­re in Kom­bi­na­ti­on mit moder­nen Repro­duk­ti­ons- und Druck­tech­ni­ken (Off­set­druck) steht hin­ge­gen das Kleis­ter-Bunt­pa­pier in Abzugs­tech­nik als Teil einer Serie von sie­ben Blät­tern, genutzt für den Buch­ein­band „Brie­fe an mei­ne Nach­ba­rin“ (Nr. 1500). Hier erin­nert Gise­la Resch­ke „Tex­tur, Far­big­keit und Form“ nach­träg­lich an die „fah­le Far­big­keit der Stei­ne und das ver­blass­te Gold und Blau im Innern des Hau­ses des Bou­le­vard Hauss­mann 102“, in dem der Autor Mar­cel Proust von 1906 bis 1919 leb­te1. „Gelb ist der Tag, Blau ist die Nacht, Grün ist die Welt“ zitiert Resch­ke auf ihrer Web­site Han­nah Are­ndt zu „Goe­thes Far­ben­leh­re“ von Han­nah Are­ndt, dar­in auch: „Far­be lässt all das Erschei­nen“2.

Abstraktes Buntpapiermuster in kräftigen Blautönen mit schwarzen, marmorierten Strukturen, die organische Formen und Texturen erzeugen, inspiriert von klassischen und modernen Gestaltungstechniken.

Kleis­ter-Model-Sei­den­pa­pier für Insel-Büche­rei Nr. 1328, Ham­burg, 2007 – 2009

Es han­delt sich um ein Bunt­pa­pier­mus­ter in Ori­gi­nal­grö­ße in Abzugs-Misch­tech­nik zum Ver­ar­bei­ten für die Buch­bin­dung in den Far­ben Blau und Schwarz. Der Kleis­ter wur­de mit Reis­stär­ke her­ge­stellt, ver­wen­det wur­de Las­caux Siri­us-Acryl­far­be, fär­ben­des Sei­den­pa­pier und 110 gr/qm Hah­ne­müh­le-Vor­satz­pa­pier 190 mm x 250 mm.

Der Reis­stär­ken-Kleis­ter wur­de mit der Acryl­far­be in zwei bis drei Farb­ab­stu­fun­gen gemischt. Das Auf­brin­gen der Farb­mi­schun­gen erfolg­te mit einem Pin­sel in gera­den und geschwun­ge­nen Lini­en. Ein auf die feuch­te Kleis­ter­schicht geleg­tes geknit­ter­tes schwar­zes Sei­den­pa­pier wur­de leicht auf­ge­drückt und vor­sich­tig abge­zo­gen. Nach der Trock­nung und etwa sechs bis acht Wochen in der Pres­se kön­nen Far­be und Papier eine fes­te Ver­bin­dung ein­ge­hen. Das Mus­ter ver­sinn­bild­licht für Gise­la Resch­ke die im Rhein lie­gen­den Stei­ne, vom Was­ser umspült.

Kleis­ter-Model-Sei­den­pa­pier für Insel-Büche­rei Nr. 1478, Ham­burg, 2020

Es han­delt sich um ein Bunt­pa­pier­mus­ter in Ori­gi­nal­grö­ße in Ver­drän­gungs- und Abzugs-Misch­tech­nik in den Far­ben Rot und Grün. Kleis­ter und Far­be wie bei Nr. 1328, fär­ben­des Sei­den­pa­pier und Hah­ne­müh­le 110 gr/qm Vor­satz­pa­pier 285 mm x 215 mm.

Die Motiv­aus­wahl erfolg­te in Anleh­nung an das Bezugs­pa­pier für die Nor­mal­aus­ga­be, das mit Äpfeln gestal­tet war. Das Auf­brin­gen der Farb­mi­schun­gen erfolg­te dies­mal mit einem Pin­sel in dia­go­na­len Lini­en. In den noch feuch­ten Grund­an­strich wur­den mit Far­be und Kleis­ter ver­se­he­ne Dau­men­ab­dru­cke ein­ge­dreht. Ein auf die feuch­te Kleis­ter­schicht auf­ge­leg­tes grü­nes fär­ben­des Sei­den­pa­pier wur­de mit einem Roll­mo­del über­rollt und danach abge­zo­gen. Das Mus­ter ver­sinn­bild­licht für Gise­la Resch­ke Apfel­bäu­me, wel­che die Land­schaf­ten des Alten Lan­des süd­west­lich von Ham­burg prägen.

Leuchtend rotes Buntpapiermuster mit grünlichen, floralen Strukturen und organischen Formen, die an Blätter und Blüten erinnern. Die diagonale Textur verleiht dem Design eine dynamische Tiefe.

Über Gise­la Reschke

Gise­la Resch­ke ist eine der wich­tigs­ten Bunt­pa­pie­re­rin­nen der Gegen­wart. Sie erlern­te das bis heu­te von ihr in der eige­nen Werk­statt aus­ge­üb­te Hand­werk der Bunt­pa­pier­her­stel­lung unter ande­rem bei Ole Lund­berg und Max Heg­gen­dorn. Seit 1980 gestal­te­te sie unter ande­rem die Buch­ein­bän­de von 75 Büchern des Insel-Ver­lags (Insel-Büche­rei), des Suhr­kamp-Ver­lags sowie des Jüdi­schen Ver­lags. Dar­über hin­aus berät sie Muse­en, Biblio­the­ken und Archi­ve und ver­öf­fent­licht her­aus­ra­gen­de Publi­ka­tio­nen wie zuletzt 2018 „bunt­pa­pier als pART der WW – Max Mor­gen­stern, Josef Hoff­mann und die WIE­NER WERK­STAET­TE“, in der pars artis edition.

Ihre Arbeits­wei­se folgt fest­ge­leg­ten Regeln und ist beein­flusst von tra­di­tio­nel­len japa­ni­schen Hand­werks­tech­ni­ken. Bunt­pa­pie­re ver­steht sie als Kunst­an­tei­le in und am Buch, mit flie­ßen­den Über­gän­gen zwi­schen den jewei­li­gen Antei­len des Hand­werk­li­chen und des Künst­le­ri­schen. Jedes Ori­gi­nal­bunt­pa­pier ent­hält ihre Signatur.

  1. Kers­tin Wall­bach: Schutz, Sta­bi­li­tät und Bin­dung. Bunt­pa­pie­re zwi­schen Hand­werk und Kunst, in: Deut­sches Tech­nik­mu­se­um Ber­lin 2/2021, S. 18–22. ↩︎
  2. http://​www​.bunt​pa​pie​re​rin​.de/ unter Rei­ter “Ter­mi­ne”. [29.01.2025] ↩︎
Kers­tin Wallbach

Kerstin Wallbach arbeitet im Deutschen Technikmuseum in der Abteilung Sammlung und Ausstellungen sowie im Bereich Finanzen.