Genorm­te Men­schen und ande­re Normen

Archiv des Deut­schen Insti­tuts für Normung

Nor­men sind all­ge­gen­wär­tig. Das His­to­ri­sche Archiv des Deut­schen Tech­nik­mu­se­um bie­tet nun Ein­bli­cke in die­se Welt. 2023 über­nahm es das Archiv des Deut­schen Insti­tuts für Nor­mung, das Doku­men­te von 1877 bis 2022 ent­hält. Die­se Samm­lung beleuch­tet die Geschich­te der Nor­mung und ihre gesell­schaft­li­chen Einflüsse.

Diagramm einer Hand mit verschiedenen nummerierten Messpunkten und Längenangaben für Finger und Handfläche. Es zeigt detaillierte Maße der Fingerknochen und Gelenke für normierte Handgrößen.

Jeder Mensch hat im All­tags­le­ben mit Nor­men zu tun: so bei der Zahn­bürs­te, wo jede ein­zel­ne Bors­te einem Druck von 15 New­ton stand­hal­ten muss, die Woche von Mon­tag bis Sonn­tag zählt, Kin­der sicher schau­keln kön­nen oder dass ein normales Blatt Papier seit 1922 gemäß DIN 476 das For­mat A4 auf­weist! Für fast alles gibt es eine Norm. Allein in Deutsch­land regelt der DIN mit über 35.000 Nor­men das gesam­te Leben mit Pro­duk­ten und Dienst­leis­tun­gen! Das geschieht mitt­ler­wei­le welt­weit in Zusam­men­ar­beit mit der Inter­na­tio­nal Orga­niza­ti­on for Stan­dar­diza­ti­on, kurz ISO. Wie kam es dazu? Das kann jetzt jede/r Inter­es­sier­te im His­to­ri­schen Archiv des Deut­schen Tech­nik­mu­se­ums recherchieren.

Ein­zig­ar­ti­ge Quel­len zur Geschich­te der Normung

2023 hat das Deut­sche Insti­tut für Nor­mung e.V. (DIN) einen gro­ßen Teil sei­nes Archivs an das His­to­ri­sche Archiv des Deut­schen Tech­nik­mu­se­ums über­ge­ben. Die Archi­va­li­en mit einer Lauf­zeit von 1877 – 2022 wur­den zuvor durch einen Archiv­dienst­leis­ter ver­zeich­net und archiv­tech­nisch bear­bei­tet. 635 Ver­zeich­nungs­ein­hei­ten sind nun in der Muse­ums­da­ten­bank recherchierbar.

Diagramm einer Hand mit markierten Messpunkten für Breite und Länge, sowie einer Hand, die einen zylindrischen Gegenstand hält. Gezeigt werden Abmessungen der Handflächen und idealer Griffdurchmesser.

Der Bestand ent­hält Unter­la­gen der Geschäfts­lei­tung des 1917 gegrün­de­ten Deut­schen Nor­men­aus­schus­ses (DNA), Vor­läu­fer des im Dezem­ber 1917 gegrün­de­ten DIN, des Prä­si­di­ums des DIN sowie zu Mate­ri­al­samm­lun­gen zur Geschich­te der Nor­mung in Deutsch­land von 1907 – 2022. Ver­ein­zelt sind auch Archi­va­li­en aus der Zeit davor (ab 1877) vor­han­den. Stel­len­wei­se ist die Arbeit ein­zel­ner Nor­men­aus­schüs­se, zum Bei­spiel des Aus­schus­ses zur Ein­füh­rung einer Norm­schrift, doku­men­tiert. Zahl­rei­che Ent­wür­fe für Nor­men, wie dem zur DIN 33402 „Kör­per­ma­ße von Erwach­se­nen“, ermög­li­chen die Aus­ein­an­der­set­zung mit tech­nik­his­to­ri­schen, gesell­schafts- und sozi­al­wis­sen­schaft­li­chen Fragestellungen.

Einen gro­ßen Teil des Archivs neh­men die bio­gra­fi­schen Samm­lun­gen zu Per­so­nen der Nor­mungs­ge­schich­te und Mit­glie­dern der ein­zel­nen Nor­men­aus­schüs­se ein. Ein umfang­rei­ches, bis­her unver­zeich­ne­tes Foto­ar­chiv mit Auf­nah­men aus der neue­ren Zeit wur­de mit über­ge­ben. Teil der his­to­ri­schen Unter­la­gen sind auch die sepa­rat in der Archiv­da­ten­bank zu recher­chie­ren­den Teil­nach­läs­se von Wal­de­mar Hell­mich (Grün­der des DIN), Arthur Zin­zen (Direk­tor des Deut­schen Nor­men­aus­schus­ses) und Wal­ter Porst­mann (Erfin­der des DIN A4-For­mats). Er war auch Befür­wor­ter der Klein­schrei­bung in Deutsch­land, was sich in sei­nen Unter­la­gen widerspiegelt.

Diagramm eines stehenden menschlichen Körpers mit Markierungen für verschiedene Messpunkte wie Reichweite und Brustkorbtiefe, ergänzt durch eine Tabelle mit Messmethoden und Perzentilwerten in Zentimetern.

Nor­men spie­geln Geschich­te wider

Mit dem Archiv über­nahm das Deut­sche Tech­nik­mu­se­um auch die Biblio­theks­be­stän­de des DIN. Die noch nicht ver­zeich­ne­te Lite­ra­tur nimmt 40 bis 50 Regal­me­ter ein. Dazu zäh­len die ab 1918 voll­stän­dig vor­han­de­nen DIN-Mit­tei­lun­gen und ihre Vor­gän­ger, die Geschäfts- und Jah­res- sowie die Haupt­ver­samm­lungs­be­rich­te. Aus­ge­wähl­te tech­ni­sche Nor­men, beson­ders in ihrer his­to­ri­schen Ent­wick­lung, sowie umfang­rei­che Lite­ra­tur zur Geschich­te des DIN, des Deut­schen Nor­men­aus­schus­ses und rele­van­ter Rand- und Quer­schnitts­ge­bie­te berei­chern das DIN-Konvolut.

Die über­nom­me­nen Bestän­de des DIN ergän­zen in idea­ler Wei­se die Aus­stel­lun­gen und Samm­lun­gen des Deut­schen Tech­nik­mu­se­ums als wesent­li­che Quel­len zur Technik‑, Wirt­schafts- und Sozi­al­ge­schich­te. Dar­über hin­aus kön­nen sie Aus­kunft über die jewei­li­gen poli­ti­schen Hin­ter­grün­de geben.

Luxbacher, Günther: DIN von 1917 bis 2017: Normung zwischen Konsens und Konkurrenz im Interesse der technisch-wirtschaftlichen Entwicklung. Beuth Verlag GmbH, 2017.
Petra Lewan­dow­ski

Petra Lewandowski ist Bibliothekarin im Deutschen Technikmuseum. Sie ist für die Katalogisierung der Monografien- und Zeitschriftenbestände sowie die Erteilung fachlicher Auskünfte verantwortlich.

Mar­cel Ruhl

Marcel Ruhl ist Archivar im Historischen Archiv des Deutschen Technikmuseums. Er ist für die Verzeichnung der Unternehmensarchive und fachliche Auskünfte zuständig.