Stadt der Zukunft

Eine par­ti­zi­pa­ti­ve Ausstellung

Im Jahr 2025 eröff­net die Son­der­aus­stel­lung „Stadt der Zukunft“. Sie zeich­net sich beson­ders durch ihren par­ti­zi­pa­ti­ven Ansatz aus. Seit 2023 arbei­te­ten wir ein Schul­jahr lang mit vier Ber­li­ner Schu­len zusam­men, um eine visio­nä­re Stadt von mor­gen zu entwerfen.

Das The­ma „Stadt der Zukunft“ betrifft uns alle. Die Gestal­tung zukünf­ti­ger Städ­te beein­flusst, wie wir woh­nen, arbei­ten und unse­re zwi­schen­mensch­li­chen Bezie­hun­gen gestalten.

Bei der Ent­wick­lung der Son­der­aus­stel­lung stand von Anfang an fest, dass Per­spek­ti­ven Raum gege­ben wer­den soll­te, die sel­ten bei Dis­kus­sio­nen um die Stadt der Zukunft ver­tre­ten sind. Dazu gehört ins­be­son­de­re die Sicht­wei­se von Kin­dern, deren Bedürf­nis­se kaum mit­ge­dacht wer­den. Um ihnen Mit­spra­che­recht zu geben und Gestal­tungs­räu­me zu eröff­nen, haben wir uns als Aus­stel­lungs­team dazu ent­schie­den, par­ti­zi­pa­tiv zu arbei­ten und die Kin­der direkt zu Wort kom­men zu lassen.

Was ist mit Par­ti­zi­pa­ti­on gemeint?

Par­ti­zi­pa­ti­on bedeu­tet immer Betei­li­gung und akti­ves Mit­wir­ken. Dabei gibt es ver­schie­de­ne Inten­si­täts­gra­de und For­ma­te. Die­se rei­chen von ein­fa­chen Bei­trä­gen, wie Kom­men­ta­re oder Vor­schlä­ge, bis hin zur Mit­ge­stal­tung von Inhal­ten. In unse­rem Fall haben wir uns ent­schlos­sen, dass Kin­der aus ihren Ideen Stadt-Model­le gestal­ten. Davon aus­ge­hend wur­de die wei­te­re Schwer­punkt­set­zung der Aus­stel­lung bestimmt. Damit dies funk­tio­nier­te, war es wich­tig, unse­re eige­ne Deu­tungs­ho­heit abzu­ge­ben und sich auf die Ideen der teil­neh­men­den Kin­der einzulassen.

War­um ist das für das Deut­sche Tech­nik­mu­se­um ein Mehrwert?

Das moder­ne Muse­um bie­tet nicht mehr nur Wis­sen an, son­dern ist ein Ort der Ver­net­zung und des Aus­tauschs unter­schied­li­cher Com­mu­ni­ties. Es ver­folgt einen „Bottom-up“-Ansatz, bei dem es um das Ein­be­zie­hen und Akti­vie­ren ver­schie­de­ner gesell­schaft­li­cher Grup­pen geht. Wenn wir in der Pla­nung unse­rer Aus­stel­lun­gen fra­gen: „Was hat das mit mir zu tun?“, dann ist es die logi­sche Kon­se­quenz, unse­re Ziel­grup­pe selbst zu befä­hi­gen, sich zu unse­ren The­men zu äußern. Kin­der haben oft unkon­ven­tio­nel­le Ideen, die Erwach­se­nen nicht in den Sinn kom­men. Sie sind Expert*innen ihrer eige­nen Lebens­welt und ver­fü­gen über kla­re Vor­stel­lun­gen davon, wie sie ihr Leben gestal­ten möch­ten. Indem sie ihre The­men und Erfah­run­gen in die Aus­stel­lung ein­flie­ßen las­sen, eröff­nen sie uns die Mög­lich­keit, unse­re Per­spek­ti­ven zu erwei­tern und in einen leben­di­gen Dia­log zu tre­ten. So ent­steht ein Raum, in dem unter­schied­li­che Sicht­wei­sen auf­ein­an­der­tref­fen und gemein­sam neue Ein­sich­ten geschaf­fen wer­den können.

Wie der Pro­zess vor­be­rei­tet und durch­ge­führt wurde

Von Anfang an bün­del­ten wir unse­re Kräf­te und teil­ten unse­re Exper­ti­sen mit­ein­an­der. Im Team arbei­ten Per­so­nen aus dem kura­to­ri­schen Dienst und der Bil­dungs­ab­tei­lung gleich­be­rech­tigt an allen Facet­ten der Aus­stel­lung. Als Ers­tes galt es, die Betei­li­gung der Kin­der zu kon­kre­ti­sie­ren: Wie vie­le Kin­der kön­nen sich wie lan­ge in wel­cher Form ein­brin­gen? Was kön­nen wir dabei leis­ten und wo enden unse­re Kapazitäten?

Wir ent­schie­den uns für Schul-AGs, die wir ein­mal pro Woche in den jewei­li­gen Schu­len durch­führ­ten. Als län­ger­fris­tig geplan­tes Pro­jekt war es wich­tig, den Kin­dern eine ein­fa­che Teil­nah­me anzu­bie­ten und unser Ange­bot mög­lichst nied­rig­schwel­lig zu gestal­ten. Die Kin­der soll­ten nach Ende der AGs für den rest­li­chen Pla­nungs­zeit­raum über die Schu­le erreich­bar sein, wes­halb wir fünf­te Klas­sen aus­wähl­ten. Nach die­ser Set­zung führ­ten wir einen inter­nen Work­shop durch, um den Ablauf der Schul-AGs inhalt­lich und didak­tisch vorzubereiten.

IN WEL­CHE ZUKUNFT MÖCH­TEN WIR REISEN?

Im Schul­jahr 2023/24 ging es los. Pro Halb­jahr wid­me­ten wir uns zusam­men mit ins­ge­samt 60 Kin­dern der Zukunft der Stadt. Alle Teil­neh­men­den stimm­ten sich auf das The­ma ein, indem sie Model­le von Zeit­ma­schi­nen bau­ten und über­leg­ten, in wel­che Zukunft sie rei­sen wür­den. Anschlie­ßend wur­de das The­ma Stadt, deren Funk­ti­ons­wei­se und die eige­nen Bedürf­nis­se dies­be­züg­lich erschlos­sen. Auf Kiez­spa­zier­gän­gen, dem Fern­seh­turm und auf der Grund­la­ge von Über­le­gun­gen zu Wohl­fühlor­ten und Angst­räu­men wur­den Ideen gesam­melt. Danach folg­te die Über­tra­gung in Model­le. Die Kin­der lern­ten dabei ver­schie­de­ne Mate­ria­li­en ken­nen und übten sich in hand­werk­li­chen Tech­ni­ken. So ent­stan­den Model­le aus Grau­pap­pe, Ton und ande­ren Mate­ria­li­en, die die Visio­nen der Kin­der abbil­den soll­ten. Auf­fäl­lig war, dass die Teil­neh­men­den ihre Ideen ent­we­der in Form von Wün­schen für die städ­ti­sche Zukunft äußer­ten oder Lösungs­an­sät­ze für die drän­gends­ten Her­aus­for­de­run­gen der Gegen­wart ent­wi­ckel­ten. Abschlie­ßend hiel­ten die Teil­neh­men­den die Details ihrer Ideen in Kurz­in­ter­views fest. Am Ende jeden Halb­jah­res gab es eine Abschluss­prä­sen­ta­ti­on im Muse­um, bei der die Kin­der ihre Arbei­ten ihren Fami­li­en, Freund*innen und Lehr­kräf­ten vorstellten.

Nach dem Abschluss der Schul-AGs begann die inhalt­li­che Recher­che. In der Aus­stel­lung wer­den den Model­len tech­ni­sche und gesell­schaft­li­che Ideen und Pro­to­ty­pen bei­geord­net, die an die jewei­li­gen The­ma­ti­ken anschlie­ßen. Span­nend ist hier­bei, dass eini­ge der ent­stan­de­nen Model­le über­ra­schend nah an bestehen­de For­schungs­er­geb­nis­se anknüp­fen. Zum Bei­spiel ent­warf eine Schü­le­rin eine aut­ar­ke, schwim­men­de Stadt als Ant­wort auf den durch den Kli­ma­wan­del beding­ten Anstieg des Mee­res­spie­gels. Eine Ver­bin­dung zur For­schung lässt sich hier über das japa­ni­sche Pres­ti­ge­pro­jekt „Dogen City“ des Archi­tek­tur­bü­ros N‑Ark her­stel­len. Bald wer­den die Kin­der ihre Ergeb­nis­se mit dem Gestal­tungs­bü­ro dis­ku­tie­ren und sich dar­über austauschen.

Wäh­rend der regel­mä­ßi­gen Zusam­men­ar­beit lern­ten wir jedes der Kin­der ken­nen. Wir konn­ten eine per­sön­li­che Bezie­hung auf­bau­en. Im Gegen­satz zu der Arbeit mit Per­so­nas, also Vertreter*innen unter­schied­li­cher Ziel­grup­pen, oder Stu­di­en­ergeb­nis­sen, die nur eine Annä­he­rung dar­stel­len, wis­sen wir nun aus ers­ter Hand, was die Kin­der beschäf­tigt. Zudem war die eige­ne Fle­xi­bi­li­tät im Arbeits­pro­zess wäh­rend der Schul-AGs beson­ders wich­tig. Wir muss­ten eine Balan­ce zwi­schen Struk­tur und Offen­heit fin­den, was nicht immer ein­fach war, aber schluss­end­lich neue Per­spek­ti­ven ermög­lich­te. Im Nach­gang erhiel­ten wir wert­schät­zen­des Feed­back der teil­neh­men­den Schu­len. Das macht deut­lich, dass sich das Muse­um bereits vor Eröff­nung als attrak­ti­ver Koope­ra­ti­ons­part­ner bewies und Neu­gier auf die Aus­stel­lung wecken konnte.

Die Son­der­aus­stel­lung „Stadt der Zukunft“ im Jahr 2025 wird nicht nur durch die Viel­falt der ent­stan­de­nen Ideen beein­dru­cken, son­dern auch durch ihren ein­zig­ar­ti­gen par­ti­zi­pa­ti­ven Ent­ste­hungs­pro­zess. Sie zeigt, dass Dia­log und Mit­ge­stal­tung Augen­hö­he erzeu­gen – Eine Aus­stel­lung, die Kin­der nicht zum The­ma hat, son­dern von ihnen mit­ge­stal­tet ist.

Seli­na Heidschwager

Selina Heidschwager arbeitet als wissenschaftliche Volontärin im Bereich Bildung und Kita / Schule des Deutschen Technikmuseums.

Minar Quay­im

Minar Quayim ist Stadtforscher und arbeitet als wissenschaftlicher Volontär im Bereich Sammlung und
Ausstellungen des Deutschen Technikmuseums.