Star­ke Aus­ru­fe­zei­chen für den Eingang

Neu­es Ein­gangs­ge­bäu­de für das Deut­sche Technikmuseum

Der Archi­tek­tur­wett­be­werb für das neue Ein­gangs­ge­bäu­de des Deut­schen Tech­nik­mu­se­ums hat inno­va­ti­ve Ideen her­vor­ge­bracht. Das Preis­ge­richt prä­mier­te drei beson­ders zukunfts­wei­sen­de Ent­wür­fe und ver­gab einen Aner­ken­nungs­preis für einen unkon­ven­tio­nel­len Bei­trag für mehr Nachhaltigkeit.

Am 6. Novem­ber 2023 tag­te in Hal­le 6 der Lade­stra­ße das Preis­ge­richt zum Archi­tek­tur­wett­be­werb für ein neu­es Ein­gangs­ge­bäu­de des Deut­schen Tech­nik­mu­se­ums. Vor­an­ge­gan­gen war, als ers­ter Schritt, eine Vor­be­rei­tungs­pha­se zur Erstel­lung eines Bedarfs­pro­gramms sowie anschlie­ßend eine euro­pa­wei­te Aus­lo­bung des Rea­li­sie­rungs­wett­be­wer­bes für ein sol­ches Gebäu­de. Das Deut­sche Tech­nik­mu­se­um ist seit 40 Jah­ren in der Treb­bi­ner Stra­ße für die Besu­chen­den geöff­net. Nach­dem zunächst der soge­nann­te Alt­bau und die bei­den Lok­schup­pen bespielt wur­den, kamen im Lau­fe der Jah­re der gro­ße Neu­bau sowie schließ­lich das Sci­ence Cen­ter Spec­trum und die Lade­stra­ße dazu. 

Par­al­lel zu der räum­li­chen Aus­wei­tung des Muse­ums stie­gen die Besuchs­zah­len. 2023 haben sie mit über 700.000 Besu­chen einen neu­en Höhe­punkt erreicht. Dass die­ser Ansturm bald das klei­ne Foy­er in der Treb­bi­ner Stra­ße über­for­dern wür­de, war bereits lan­ge klar. Schon der Grün­dungs­di­rek­tor Gün­ter Gott­mann hat­te als letz­te Aus­bau­stu­fe des Muse­ums ein Ein­gangs­ge­bäu­de zwi­schen Spec­trum und Neu­bau vor­ge­se­hen –­ ein Ein­gangs­ge­bäu­de für alle Berei­che des Deut­schen Tech­nik­mu­se­ums, also auch für die Lade­stra­ße und das Sci­ence Cen­ter Spec­trum. Dies wür­de das Besuchs­er­leb­nis deut­lich kom­for­ta­bler machen und den Zugang zu allen Tei­len des Muse­ums erleichtern.

Was muss das Ein­gangs­ge­bäu­de leisten?

In den zurück­lie­gen­den Jahr­zehn­ten mach­ten vie­le Muse­ums­neu­bau­ten welt­weit wegen ihrer ein­zig­ar­ti­gen Archi­tek­tur Furo­re. Oft­mals muss­te dabei die Funk­tio­na­li­tät hin­ter der spek­ta­ku­lä­ren Form zurück­ste­cken. Betriebs­kos­ten und Ener­gie­bi­lan­zen spiel­ten bei die­sen beein­dru­cken­den Bau­ten oft­mals eine unter­ge­ord­ne­te Rol­le. Für das Deut­sche Tech­nik­mu­se­um war von Anfang an wich­tig, dass das neue Ein­gangs­ge­bäu­de bau­li­che Nach­hal­tig­keit berück­sich­tigt und vor allem die abseh­ba­ren Fol­gen des Kli­ma­wan­dels in sei­ner Archi­tek­tur mit­denkt. Archi­tek­tur, die heu­te geplant wird, muss die Her­aus­for­de­run­gen der nahen Zukunft mit in den Blick nehmen.

Neben der Nach­hal­tig­keit wur­den wei­te­re wich­ti­ge Bedar­fe an das neue Ein­gangs­ge­bäu­de gestellt; so etwa die Funk­tio­na­li­tät, die Sicher­stel­lung rei­bungs­lo­ser musea­ler Abläu­fe und effi­zi­en­ter Besuchs­strö­me, die Mini­mie­rung von Betriebs­kos­ten, eine lan­ge Lebens­dau­er des Gebäu­des und auch die Inte­gra­ti­on einer öffent­li­chen Durchwegung. 

Was muss das Ein­gangs­ge­bäu­de leisten?

Nach erfolg­ter Aus­schrei­bung des Gestal­tungs­wett­be­werbs bewar­ben sich 117 Archi­tek­tur­bü­ros aus ganz Euro­pa. 25 Teil­neh­men­de aus die­ser Grup­pe wur­den in einem zwei­ten Schritt ein­ge­la­den, einen kon­kre­ten Ent­wurf zu ent­wi­ckeln. 23 Arbei­ten gin­gen schließ­lich ein. Aus die­sen 23 Arbei­ten erfolg­te am 6. Novem­ber 2023 die Aus­wahl der drei Sie­ger­ent­wür­fe durch das Preis­ge­richt. Dabei lie­ßen sich fast alle Ent­wür­fe zwei unter­schied­li­chen Grund­an­sät­zen zuord­nen. Die einen Büros spiel­ten mit der Geschich­te des Ortes und ver­such­ten den zwei­ten, im Krieg zer­stör­ten Kopf­bau des ehe­ma­li­gen Anhal­ter Güter­bahn­hofs am Anfang der Lade­stra­ße in unter­schied­li­cher Form – und mit moder­nen Mit­teln – wie­der auf­er­ste­hen zu las­sen. Die ande­ren Ent­wür­fe hin­ge­gen setz­ten auf einen deut­li­chen Kon­tra­punkt zu den bestehen­den Gebäu­den mit teils über­ra­schen­den archi­tek­to­ni­schen Ansätzen.

Beson­de­re Aner­ken­nung: Muti­ger Ver­zicht für die Nachhaltigkeit

Ein Ent­wurf stach dabei her­vor: Das Ber­li­ner Büro Kirch­ber­ger & Wie­gner Roh­de sah vor, über­haupt kein Ein­gangs­ge­bäu­de zu bau­en und so den dafür not­wen­di­gen CO2-Aus­stoß ein­zu­spa­ren und statt­des­sen ein „Labor des Ler­nens für die Zukunft“ zu ent­wi­ckeln. Dabei soll­ten das Bau­feld neben dem Sci­ence Cen­ter Spec­trum in einen Stadt­wald umge­wan­delt und die bei­den Gebäu­de­tei­le Lade­stra­ße und Neu­bau durch eine locke­re Abfol­ge von Pavil­lons ver­bun­den werden.

Das Archi­tek­tur­bü­ro bekam für die­sen muti­gen Ent­wurf einen Aner­ken­nungs­preis. Im Preis­ge­richt bestand jedoch zugleich Einig­keit dar­über, dass die­ser Ent­wurf nicht die Auf­ga­ben eines Ein­gangs­ge­bäu­des erset­zen kön­ne. Gegen­stand der Aus­schrei­bung war die Pla­nung für ein Gebäu­de, das neben den eigent­li­chen Funk­tio­nen ein Restau­rant, einen Shop, Back-Office-Berei­che für die Mit­ar­bei­ten­den sowie Tagungs­räu­me ver­ei­nen soll­te. Alle drei Sie­ger­ent­wür­fe fan­den dabei sehr gute Ant­wor­ten auf die­sen Anfor­de­rungs­ka­ta­log und setz­ten auch in ästhe­ti­scher Hin­sicht mar­kan­te Ausrufezeichen.

Drit­ter Preis

So ver­bin­det etwa der Ent­wurf des Archi­tek­tur­bü­ros :mlzd das Ein­gangs­ge­bäu­de über eine zwei­ge­schos­si­ge Brü­cke mit dem bestehen­den Sci­ence Cen­ter Spec­trum. Die­se Brü­cke schafft eine har­mo­ni­sche Bezie­hung zwi­schen den bei­den Gebäu­den, die wie unglei­che Zwil­lin­ge neben­ein­an­der­ste­hen. Das Ein­gangs­ge­bäu­de über­nimmt dabei die Farb­ge­bung und Mate­ria­li­en des his­to­ri­schen Kopf­baus des Anhal­ter Güter­bahn­hofs von Franz Schwech­ten, jedoch in moder­ner und redu­zier­ter Form. Es gibt kei­ne Fens­ter an der Haupt­fas­sa­de, statt­des­sen sorgt ein beson­de­res Mau­er­werk für eine dezen­te Belich­tung der Innen­räu­me. Der Haupt­ein­gang selbst ent­steht durch das Ent­fer­nen einer Ecke des Gebäu­des: Die­ser Kunst­griff hebt den Ein­gang beson­ders hervor.

Die Besu­chen­den betre­ten ein geräu­mi­ges Foy­er mit einer brei­ten Trep­pe, die den Weg nach oben weist. Das Inne­re ist prak­tisch gestal­tet. Der Muse­ums­shop, die Gar­de­ro­be und Toi­let­ten befin­den sich im Erd­ge­schoss. Ein Zwi­schen­ge­schoss führt zu einem zwei­ten Gebäu­de­teil mit ver­schie­de­nen Gas­tro­no­mie­be­rei­chen und Außen­sitz­plät­zen. Im zwei­ten Ober­ge­schoss gibt es einen Semi­nar­raum und wei­te­re Nebenräume.

Zwei­ter Preis

Auch der Ent­wurf von quer­kraft archi­tek­ten ver­bin­det das Haupt­ge­bäu­de und das Sci­ence Cen­ter Spec­trum zu einem ein­la­den­den neu­en Haupt­ein­gang. Die Form des Gebäu­des passt sich dabei an die Linie des Spec­trums an und ent­wi­ckelt sich Rich­tung Wes­ten zu einer auf­se­hen­er­re­gen­den und frei­en Form. Ein Teil des Gebäu­des ver­läuft indes nach Süden ent­lang der Lade­stra­ße und ver­bin­det sich mit der dor­ti­gen Rui­ne. Dabei sind die Über­gän­ge zum Spec­trum und zum Haupt­ge­bäu­de groß genug, um vie­le Besu­chen­de auf­zu­neh­men. Die inne­re Orga­ni­sa­ti­on ist klar und logisch, mit einem gro­ßen, offe­nen Ein­gangs­be­reich, der auch für Ver­an­stal­tun­gen genutzt wer­den kann. Der Zugang ist bar­rie­re­frei, und die Auf­zü­ge sind leicht zu finden.

Der Vor­platz ist im Ent­wurf mit Sitz­mög­lich­kei­ten und Was­ser­ele­men­ten gestal­tet, die für alle Alters­grup­pen attrak­tiv sind. Gera­de die­se Kom­bi­na­ti­on von Gebäu­de und Frei­raum wur­de von der Preis­ju­ry gelobt, beson­ders die Mög­lich­kei­ten zum Ver­wei­len und die Nut­zung des nörd­li­chen Daches für Aktivitäten.

Ers­ter Preis

Der Sie­ger­ent­wurf von Innau­er-Matt Archi­tek­ten ver­eint alle Anfor­de­run­gen unter einem Dach; einem Dach, das als Solar­kraft­werk fun­giert und ein archi­tek­to­ni­sches Aus­ru­fe­zei­chen setzt. Die cha­rak­te­ris­ti­sche Dach­form löst vie­le Asso­zia­tio­nen aus und erfüllt die Bedin­gung des Aus­schrei­bungs­tex­tes, ein „prä­sen­tes, iden­ti­täts­stif­ten­des Gebäu­de“ zu schaf­fen. Das neue Ein­gangs­ge­bäu­de besteht größ­ten­teils aus nach­wach­sen­den, also nach­hal­ti­gen Roh­stof­fen und erzeugt mit sei­nen Pho­to­vol­ta­ik­flä­chen mehr Ener­gie, als es ver­braucht. Dadurch soll der CO2-Fuß­ab­druck des Muse­ums deut­lich ver­klei­nert werden.

Das neue Ein­gangs­ge­bäu­de wird einen hohen Wie­der­erken­nungs­wert besitzen!

Auf einem Sockel­ge­schoss aus Sicht­be­ton ent­wi­ckelt sich die lan­ge­streck­te Form eines hohen Hutes. Die „Hut­krem­pen“ neh­men die Form der Vor­dä­cher der Lade­stra­ße auf und bie­ten den dar­un­ter­lie­gen­den Gras­flä­chen Son­nen­schutz. Die geöff­ne­te und ver­glas­te Gie­bel­sei­te nach Nor­den signa­li­siert den Ein­gang, wodurch sich Besu­chen­de bes­ser ori­en­tie­ren kön­nen. Sämt­li­che Ein­gän­ge sind eben­erdig und barrierefrei.

Die Besu­chen­den wer­den in einem hal­len­ar­ti­gen Foy­er emp­fan­gen, wo die Holz­ar­chi­tek­tur sicht­bar wird. Gar­de­ro­ben, Shop und Restau­rants schlie­ßen sich eben­erdig an. Über eine groß­zü­gi­ge Wen­del­trep­pe oder Fahr­stüh­le errei­chen die Besu­chen­den die Ver­tei­ler­ebe­ne, von wo sich zwei Brü­cken zum Neu­bau und zur Lade­stra­ße hin erstre­cken. In der Lade­stra­ße erfolgt der Anschluss an die Muse­um­stei­le über das jet­zi­ge Zwi­schen­ge­bäu­de, das auf­ge­stockt wird. Am Neu­bau schließt die Brü­cke an der ursprüng­lich vor­ge­se­he­nen Stel­le am Stand­ort der Zucker­aus­stel­lung an. Hier wären wei­te­re Umbau­ten nötig, da die bestehen­den Trep­pen­an­la­gen nicht aus­rei­chen, um die ver­än­der­ten Besuchs­strö­me aufzunehmen.

Wie geht es weiter?

Momen­tan läuft der, im Rah­men von Archi­tek­tur­wett­be­wer­ben übli­che, inten­si­ve Pro­zess zur detail­lier­ten Prü­fung der Umsetz­bar­keit der Sie­ger­ent­wür­fe im vor­ge­ge­be­nen finan­zi­el­len und zeit­li­chen Rah­men. Feder­füh­rung hat hier die Ber­li­ner Immo­bi­li­en­ma­nage­ment GmbH (BIM), die den Rea­li­sie­rungs­wett­be­werb aus­ge­lobt hat. Wird im Anschluss dar­an einer der Sie­ger­ent­wür­fe umge­setzt, so erhält das Deut­sche Tech­nik­mu­se­um in jedem Fall ein „Signa­tu­re Buil­ding“, das in dem viel­ge­stal­ti­gen Gebäu­de­en­sem­ble des Deut­schen Tech­nik­mu­se­ums ein mar­kan­tes Zei­chen setzt. 

Jeder der drei Sie­ger­ent­wür­fe setzt star­ke und über­zeu­gen­de Akzen­te in Sachen Funk­tio­na­li­tät, Ästhe­tik, Nach­hal­tig­keit, Offen­heit und Zugäng­lich­keit unse­res künf­ti­gen Muse­ums. Beson­ders der Ent­wurf von Innau­er-Matt zeigt, dass Tech­nik einen Bei­trag leis­ten kann, um die gro­ßen Her­aus­for­de­run­gen der Zukunft zu meis­tern. Neben dem Land­mar­ker des Rosi­nen­bom­bers auf dem Neu­bau wird das neue Ein­gangs­ge­bäu­de, das 2029 den Betrieb auf­neh­men soll, ein wei­te­res Gebäu­de mit hohem Wie­der­erken­nungs­wert sein, das weit über Ber­lin hin­aus wahr­ge­nom­men wer­den wird.

Joa­chim Breuninger

Joachim Breuninger ist Historiker und seit 2020 Vorstand der Stiftung Deutsches Technikmuseum Berlin. Davor leitete er das Verkehrsmuseum Dresden.