Drittmittelgeförderte Digitalisierung von Akten der Abteilung Schriftschneiderei der H. Berthold AG
Im Jahr 2024 wurden im Rahmen des Förderprogramms zur Digitalisierung des kulturellen Erbes (digiS)1 78 Akten aus der Zeit von 1913 bis 1945 der Berliner Schriftgießerei H. Berthold AG digitalisiert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Akten bilden den Entwicklungsprozess einzelner Schriftschnitte für den Bleisatz ab und geben Einblicke in die Arbeit der zur damaligen Zeit größten Schriftgießerei Europas.

Typografisches Erbe Berlins
In Berlin gab es um 1900 über 3000 buchgewerbliche Betriebe – darunter allein gut 540 Buchdruckereien mit mehreren tausend Beschäftigten, darunter auch sehr viele Frauen. Von besonderer Bedeutung für die Geschichte dieses für Berlin so wichtigen Industriezweigs ist die 1858 in Kreuzberg gegründete H. Berthold AG, die in der Weimarer Republik sogar zur größten Schriftgießerei Europas aufstieg und vielfältige Kooperationen mit Kunstschaffenden und Angehörigen des Staatlichen Bauhauses pflegte.
Um die für Wirtschafts-, Kunst- und Buchgeschichtsforschung gleichermaßen relevanten Zeugnisse der typografischen Kultur Berlins zu sichern und international sichtbar zu machen, ließ die Stiftung Deutsches Technikmuseum Berlin einen Teil des 1997 übernommenen, internen Schriftgutes der H. Berthold AG digitalisieren und macht sie auf den Portalen Museum digital und DDB (Deutsche Digitale Bibliothek) online zugänglich.



Entwicklungsprozesse im Schriftdesign
Ausgewählt wurden für dieses Projekt 78 Akten aus der Abteilung Schriftschneiderei der H. Berthold AG zu Entwurf und Fertigung von Bleilettern verschiedener Schriftschnitte, welche zwischen 1913 und 1945 entstanden sind, und deren besonderer Wert darin besteht, dass sie die einzige bekannte überlieferte schriftliche Quelle der Unternehmenskultur der H. Berthold AG aus dieser Zeit darstellen, welche den Prozess des Schriftentwurfs und dessen Anpassung an den Bleisatz beleuchtet. Neben den internen Bestellzetteln für die Fertigung von Matern finden sich zahlreiche Probeandrucke einzelner Schriftschnitte, Logos und Figurenverzeichnisse mit Korrekturvermerken. Darunter sind zum Beispiel Andrucke von Hieroglyphen, Verkehrszeichen oder hebräischen Schriften nach Entwürfen von Franziska Baruch2 oder Rafael Frank3.
Die vorhandene Korrespondenz mit Schriftdesignern wie Herbert Post4 oder Martin Wilke5 und Buchdruckereien sowie interne Vermerke sind bisher völlig unbekannt, sodass durch die digitale Veröffentlichung des Materials neue Impulse und Betrachtungsweisen für die wissenschaftliche Forschung im Bereich Typografie und Schriftentwicklung ermöglicht und unterstützt werden. Einzigartig an dem Bestand ist, dass der Entwicklungsprozess des Schriftdesigns abgebildet ist und damit für die Forschung zugänglich wird. Uns und den mit uns in Kontakt stehenden einschlägigen Forschenden ist kein anderer Bestand bekannt, der den Arbeitsprozess des Schriftdesigns so detailliert abbildet. Hier ist nicht nur das Ergebnis des Schriftentwurfs erforschbar, sondern durch die Kommentierung der Stärken und Schwächen der einzelnen Entwicklungsschritte sind auch die in dieser Zeit geltenden Paradigmen der Schriftgestaltung analysierbar.



Interesse in Wissenschaft, Design und Handwerk
Das Thema Schrift und Schriftentwicklung stellt ein aktuelles Forschungsfeld der Wissenschaft dar. Dies zeigt die Resonanz auf das 2021 mit der Staatsbibliothek zu Berlin, der Kunstbibliothek Berlin und der Erik Spiekermann Foundation durchgeführte digiS-Kooperationsprojekt in dem Schriftmusterproben digitalisiert wurden. Das Historische Archiv des Deutschen Technikmuseums verzeichnet seit in Gang Setzung des digiS-Projekts „Die Sichtbarmachung des Sichtbaren“ einen rapiden Anstieg von Rechercheanfragen zum Thema Typografie. Dieses Themenfeld erhält nun einen weiteren digital zugänglichen Bestand – stellen diese Akten in gewisser Weise doch eine Vorstufe zu den Schriftmusterproben dar. Neben den direkten Bezügen zur Typografiegeschichte gibt es auch Verbindungen zu anderen im Historischen Archiv vorhanden Aktenbeständen wie dem kürzlich übernommenen DIN-Archiv oder dem Archiv der Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft (AEG).
- https://www.digis-berlin.de/ [30.01.2025] ↩︎
- https://unseen-women.design/designerinnen/franziska-baruch [30.01.2025] ↩︎
- https://de.wikipedia.org/wiki/Rafael_Frank [30.01.2025] ↩︎
- https://de.wikipedia.org/wiki/Herbert_Post [30.01.2025] ↩︎
- https://de.wikipedia.org/wiki/Martin_Wilke_(Grafikdesigner) [30.01.2025] ↩︎